10.8.2024

Von der Souveränität

Ein Gespräch heute Morgen beim Kaffee über das Thema „Freiheit“ im Außen und Innen und ein Blick auf die Welt und ihren Umgang mit diesem Begriff in allen Bereichen, führte bald zum Begriff der „Souveränität“. Doch was ist Souveränität überhaupt? Was bedeutet sie für mich und ist es überhaupt möglich in einer Welt, die fast erstickt an Regeln, Vorschriften und Fettnäpfchen, politischen und gesellschaftlichen roten Linien und Bewusstseinsgefängnissen - ist es möglich in so einer Welt überhaupt Souveränität zu leben und ausdrücken zu können, ohne sich völlig von dieser Welt zu lösen?

Für mich persönlich bedeutet Souveränität, das eigene Sein ohne Ausnahme zu repräsentieren. Sie bedeutet nicht, meine Haltung, meinen Glauben oder auch nur meine Ansichten jederzeit und überall laut oder auch leise herauszutrompeten, aber sehr wohl dort zu sprechen oder Haltung zu zeigen, wo entweder mein eigenes Leben betroffen ist oder ein Leben, auf das ich unmittelbar durch Verantwortung, Worte oder Taten Einfluss habe. Kurz: Es geht um meine unmittelbare Umgebung oder auch: meinen Raum, mein Universum, mein ganz persönliches Leben. Durch das Internet entstand mit der Zeit bei vielen Menschen das Gefühl, dass das eigene Leben, der eigene Raum sich um die ganze Welt spannt. Diese Erfindung öffnete die Welt auf der einen Seite, brachte Menschen miteinander in Kontakt, die sich niemals begegnet wären und brachte Themen unmittelbarer in die Wahrnehmung, die einem ebenfalls vielleicht nie begegnet wären. Die Schattenseiten des Internets für mich sind unter anderem, dass durch die Möglichkeit ALLES zu kommentieren und das Nutzen dieser Möglichkeit, eine Kultur entstanden ist, in der eine, in Erstreaktion schnell getippte Meinung zu irgendeiner Schlagzeile, die echte Haltung und die echte Auseinandersetzung mit Themen teilweise ersetzt hat. Die Flut an Informationen, Gegeninformationen, gelenkter Meinungsmache, Framing bis hin zu echten Falschmeldungen macht es zudem fast unmöglich, sich tatsächlich „objektiv“ zu irgendeinem Thema eine Meinung zu bilden.

Was die letzten Jahre für mich gezeigt haben oder vielmehr verdeutlicht haben, ist vor allem, dass die Themen auf dieser Welt selten in einer Schlagzeile zusammenzufassen sind. Dass die Probleme sehr viel komplexer sind und sie selten in die Schubladen von Gut und Böse, schwarz oder weiß passen. Wahrheit versteckt sich überall. Die Lüge auch.

Wie kann ich also souverän reagieren, wenn gar nicht klar ist, wie die Situation, die sich mir präsentiert, wirklich ist? Da es keinerlei Möglichkeit gibt, herauszufinden, wie es sich mit den meisten Dingen, Zuständen und Situationen wirklich verhält, da die einzige Möglichkeit wäre, tatsächlich anwesend zu sein und diese Situationen zu bezeugen, bleibt für mich nur die Option, mir KEINE Meinung zu bilden, sondern die Position des Beobachters einzunehmen, der sich nicht festlegt mit einem endgültigen „Urteil“. Ich bleibe lieber „bei mir“. Behalte diese Energie von mir und gebe sie nicht in den Pool der Meinung um eine bestimmte  Sache. In dem Moment, wo ich dies tue, bestärke ich diese Sache, Situation oder Bewegung. Mache sie größer, stärker und kraftvoller. Bevor ich also aus tiefstem Herzen etwas annehme oder ablehne, bevor ich „Ja“ oder „Nein“ sage zu etwas, muss ich Klarheit darüber haben, was dieses „etwas“ tatsächlich ist.

Souveränität für mich bedeutet unbeugsam zu sein, wenn es um die zutiefst eigenen Werte geht. 

Sie sich weder nehmen zu lassen, noch sie selbst zu verraten. Natürlich habe auch ich Bilder von der Welt. „Ansichten“, wie Dinge, Beziehungen, Systeme tatsächlich sind. Diese Ansichten sind aber nicht zur Meinung verhärtet, sondern beinhalten die Bereitschaft, sie zu verändern, sollte sich das Bild verändern, das sich mir zeigt. Souveränität hat also für mich nichts damit zu tun, für „Meinungen“ einzutreten. Die Grund- und Menschenrechte jedoch, die Ausdruck von Werten sind, die dem Menschen zutiefst immanent sind, sind „unveräußerbar“. Das bedeutet, sie können nicht verändert werden, sie stehen fest, sind in Stein gemeisselt. 

Die letzten Jahre zeigten, dass diese unveräußerlichen Werte als gesellschaftliche Vereinbarung „wackeln“ - unter gewissen Umständen „veränderbar“ sind. Sie garantieren die Souveränität und Würde, die jedem Menschen zueigen sind. Unantastbar in diesem Kontext bedeutet, dass es nichts und niemanden gibt, der das Recht hat, egal mit welcher Begründung, diese Souveränität anzutasten. Und doch geschieht dies in zunehmendem Maß überall. Nein, nicht in fernen Diktaturen. Es geschieht bei uns. Und was dies vor allem bedeutet und zeigt ist für mich: Wahre Souveränität kann dir nicht von außen gegeben werden. Wie alles, muss sie in deinem Inneren bestehen. In einer Gesellschaft, in der Anpassung an Meinungen und Haltungen über Jahrzehnte stärker gewichtet wurde, als die eigene innere Haltung und damit die eigene Souveränität zu erlangen und zu stärken, fällt ein Wegnehmen derselben dann kaum noch ins Gewicht. So manchem fällt es vielleicht sogar nicht einmal auf.

Das Positive daran, dass wahre Souveränität nicht gegeben werden kann, ist aber auch, dass wahre Souveränität in Wahrheit nicht genommen werden kann. Nichts und Niemand kann einen dazu zwingen, die Wahrheit, die in einem selbst schwingt, zu verraten oder zu beugen. Niemand kann einen zwingen etwas zu tun, das gegen die eigene Souveränität oder Menschenwürde gerichtet ist. Nicht einmal mit Gewalt. Denn eines ist wahr: Man hat immer eine Wahl. Manchmal ist dies vielleicht eine Wahl die einem nicht gefällt, nichts desto weniger besteht sie.  

Autorin
Author
Julia Heilmann-Schuricht

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10.8.2024

Von der Souveränität

Ein Gespräch heute Morgen beim Kaffee über das Thema „Freiheit“ im Außen und Innen und ein Blick auf die Welt und ihren Umgang mit diesem Begriff in allen Bereichen, führte bald zum Begriff der „Souveränität“. Doch was ist Souveränität überhaupt? Was bedeutet sie für mich und ist es überhaupt möglich in einer Welt, die fast erstickt an Regeln, Vorschriften und Fettnäpfchen, politischen und gesellschaftlichen roten Linien und Bewusstseinsgefängnissen - ist es möglich in so einer Welt überhaupt Souveränität zu leben und ausdrücken zu können, ohne sich völlig von dieser Welt zu lösen?

Für mich persönlich bedeutet Souveränität, das eigene Sein ohne Ausnahme zu repräsentieren. Sie bedeutet nicht, meine Haltung, meinen Glauben oder auch nur meine Ansichten jederzeit und überall laut oder auch leise herauszutrompeten, aber sehr wohl dort zu sprechen oder Haltung zu zeigen, wo entweder mein eigenes Leben betroffen ist oder ein Leben, auf das ich unmittelbar durch Verantwortung, Worte oder Taten Einfluss habe. Kurz: Es geht um meine unmittelbare Umgebung oder auch: meinen Raum, mein Universum, mein ganz persönliches Leben. Durch das Internet entstand mit der Zeit bei vielen Menschen das Gefühl, dass das eigene Leben, der eigene Raum sich um die ganze Welt spannt. Diese Erfindung öffnete die Welt auf der einen Seite, brachte Menschen miteinander in Kontakt, die sich niemals begegnet wären und brachte Themen unmittelbarer in die Wahrnehmung, die einem ebenfalls vielleicht nie begegnet wären. Die Schattenseiten des Internets für mich sind unter anderem, dass durch die Möglichkeit ALLES zu kommentieren und das Nutzen dieser Möglichkeit, eine Kultur entstanden ist, in der eine, in Erstreaktion schnell getippte Meinung zu irgendeiner Schlagzeile, die echte Haltung und die echte Auseinandersetzung mit Themen teilweise ersetzt hat. Die Flut an Informationen, Gegeninformationen, gelenkter Meinungsmache, Framing bis hin zu echten Falschmeldungen macht es zudem fast unmöglich, sich tatsächlich „objektiv“ zu irgendeinem Thema eine Meinung zu bilden.

Was die letzten Jahre für mich gezeigt haben oder vielmehr verdeutlicht haben, ist vor allem, dass die Themen auf dieser Welt selten in einer Schlagzeile zusammenzufassen sind. Dass die Probleme sehr viel komplexer sind und sie selten in die Schubladen von Gut und Böse, schwarz oder weiß passen. Wahrheit versteckt sich überall. Die Lüge auch.

Wie kann ich also souverän reagieren, wenn gar nicht klar ist, wie die Situation, die sich mir präsentiert, wirklich ist? Da es keinerlei Möglichkeit gibt, herauszufinden, wie es sich mit den meisten Dingen, Zuständen und Situationen wirklich verhält, da die einzige Möglichkeit wäre, tatsächlich anwesend zu sein und diese Situationen zu bezeugen, bleibt für mich nur die Option, mir KEINE Meinung zu bilden, sondern die Position des Beobachters einzunehmen, der sich nicht festlegt mit einem endgültigen „Urteil“. Ich bleibe lieber „bei mir“. Behalte diese Energie von mir und gebe sie nicht in den Pool der Meinung um eine bestimmte  Sache. In dem Moment, wo ich dies tue, bestärke ich diese Sache, Situation oder Bewegung. Mache sie größer, stärker und kraftvoller. Bevor ich also aus tiefstem Herzen etwas annehme oder ablehne, bevor ich „Ja“ oder „Nein“ sage zu etwas, muss ich Klarheit darüber haben, was dieses „etwas“ tatsächlich ist.

Souveränität für mich bedeutet unbeugsam zu sein, wenn es um die zutiefst eigenen Werte geht. 

Sie sich weder nehmen zu lassen, noch sie selbst zu verraten. Natürlich habe auch ich Bilder von der Welt. „Ansichten“, wie Dinge, Beziehungen, Systeme tatsächlich sind. Diese Ansichten sind aber nicht zur Meinung verhärtet, sondern beinhalten die Bereitschaft, sie zu verändern, sollte sich das Bild verändern, das sich mir zeigt. Souveränität hat also für mich nichts damit zu tun, für „Meinungen“ einzutreten. Die Grund- und Menschenrechte jedoch, die Ausdruck von Werten sind, die dem Menschen zutiefst immanent sind, sind „unveräußerbar“. Das bedeutet, sie können nicht verändert werden, sie stehen fest, sind in Stein gemeisselt. 

Die letzten Jahre zeigten, dass diese unveräußerlichen Werte als gesellschaftliche Vereinbarung „wackeln“ - unter gewissen Umständen „veränderbar“ sind. Sie garantieren die Souveränität und Würde, die jedem Menschen zueigen sind. Unantastbar in diesem Kontext bedeutet, dass es nichts und niemanden gibt, der das Recht hat, egal mit welcher Begründung, diese Souveränität anzutasten. Und doch geschieht dies in zunehmendem Maß überall. Nein, nicht in fernen Diktaturen. Es geschieht bei uns. Und was dies vor allem bedeutet und zeigt ist für mich: Wahre Souveränität kann dir nicht von außen gegeben werden. Wie alles, muss sie in deinem Inneren bestehen. In einer Gesellschaft, in der Anpassung an Meinungen und Haltungen über Jahrzehnte stärker gewichtet wurde, als die eigene innere Haltung und damit die eigene Souveränität zu erlangen und zu stärken, fällt ein Wegnehmen derselben dann kaum noch ins Gewicht. So manchem fällt es vielleicht sogar nicht einmal auf.

Das Positive daran, dass wahre Souveränität nicht gegeben werden kann, ist aber auch, dass wahre Souveränität in Wahrheit nicht genommen werden kann. Nichts und Niemand kann einen dazu zwingen, die Wahrheit, die in einem selbst schwingt, zu verraten oder zu beugen. Niemand kann einen zwingen etwas zu tun, das gegen die eigene Souveränität oder Menschenwürde gerichtet ist. Nicht einmal mit Gewalt. Denn eines ist wahr: Man hat immer eine Wahl. Manchmal ist dies vielleicht eine Wahl die einem nicht gefällt, nichts desto weniger besteht sie.  

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